Unruhige Zeiten

Seit April 2020 sind wir nicht mehr vor Ort in Eritrea gewesen. Grund dafür war die Pandemie und in der Folge der strenge Lockdown Eritreas mit der Schließung des Flughafens uns seiner Grenzen, um die Bevölkerung vor dem Hereintragen des Corona-Virus zu schützen.

Zu der Corona-Situation kommt der Krieg in der benachbarten nordäthiopischen Provinz Tigray hinzu, der die gesamte Region zu destabilisieren droht. Die äthiopischen Regierungstruppen kämpfen gegen die Streitkräfte der Volksbefreiungsfront Tigrays (TPLF), die das Land bis zum Amtsantritt Abiy Ahmeds diktatorisch regierten. Das Nachbarland Eritrea ist seit der Bombardierung des Flughafens von Asmara in die Kämpfe involviert und kämpft an der Seite der äthiopischen Regierungstruppen gegen den ehemaligen Erzfeind TPLF. Die Hoffnung, dass mit dem Friedensschluss zwischen Äthiopien und Eritrea endlich Frieden in die Region einzieht, sind jäh einem neuen Krieg gewichen.

Der Konflikt hat eine schwere humanitäre Krise ausgelöst. Vermutlich sind Zehntausende Menschen gestorben, Millionen leiden unter Vertreibung und Hunger.

Wie gehen wir mit den Herausforderungen um?

Unter den geschilderten Bedingungen ist Hilfe schwer. Wir haben über den Zeitraum von eineinhalb Jahren den Kontakt zu unseren Projektpartnern halten können und die Stationen und Einrichtungen mit Hilfsgüterlieferungen wie gewohnt unterstützt. Die Wartung einer Sauerstoffanlage konnte anhand von per Luftfracht geschicktem Material und der Anweisung aus Deutschland erfolgreich durchgeführt werden. Im September 2021 war Dr. Schwidtal für einige Tage in Asmara, um mit den Verantwortlichen das weitere Vorgehen zu besprechen und die Fortführung unserer Tätigkeiten vorzubereiten. Der anfänglichen freudigen Zusicherung, die Projektarbeit bald wieder aufnehmen zu können, folgten plötzlich bis heute andauernde Einschränkungen und eine Sprachlosigkeit seitens des Gesundheitsministeriums, die für uns nicht nachvollziehbar sind.

Uns war immer klar, dass wir uns in Eritrea auf politisch schwierigem Terrain bewegen. Das, was uns immer motiviert und über alle Hindernisse getragen hat, war die Hilfe für die Kinder. Ihre Dankbarkeit zu spüren ließ uns alle Schwierigkeiten vergessen. Auch die eritreischen Ärzte und das Pflegepersonal zeigten uns, wie sehr sie unsere Anwesenheit und Unterstützung schätzen und begrüßen. Es gibt nicht viel internationale Hilfe in Eritrea, auch das war immer ein Grund, uns ausgerechnet dort zu engagieren, wo viele andere nicht hingehen möchten.

Über die vergangenen zehn Jahre haben wir ausreichend Erfahrung mit der ausdauernden und sanften Diplomatie gemacht, die die Kommunikation mit den eritreischen Verantwortlichen erforderte. Doch langsam werden wir ungeduldig und die unklare Situation zerrt an unseren Nerven. Auf der einen Seite möchten wir nichts lieber, als unsere Einsatztätigkeit wieder aufzunehmen, auf der anderen Seite ist uns der Zutritt momentan verwehrt. Warum? Wir wissen es nicht. Wir können nur mutmaßen, dass die oben beschriebene doppelte Problematik – die immer noch schwelende Pandemie (es gibt noch keine Impfungen in Eritrea) sowie das undurchsichtige Kriegsgeschehen im Tigray – der Grund für die eritreische Zurückhaltung ist.

Wie geht es für uns weiter?

Wir sind sehr geübt, Geduld zu haben. Und so werden wir auch in Eritrea noch eine Weile abwarten, bis wir klare Aussagen bekommen, mit denen wir weiter planen können.

Dennoch ist uns im vergangenen Jahr klar geworden, dass Eritrea nicht das einzige Land bleiben sollte, in welchem wir uns engagieren und in das wir unsere Erfahrungen und Kompetenzen einbringen können. Vielleicht sind die Zeiten vorüber, in denen wir uns auf die Ausbildung des medizinischen Fachpersonals und den Ausbau der medizinischen Infrastruktur in nur einem Land konzentrieren, und wir müssen, um weiter handlungsfähig bleiben zu können, auch andere Länder in den Blick nehmen. Und Länder, in denen wir helfen können und in denen unsere Unterstützung gewünscht ist, gibt es genug.